Natürlich müsste ich
jetzt bei Adam und Eva anfangen, spätestens aber bei dem Zeitpunkt, da der
erste Nachkriegsroller das Licht dieser Welt erblickte und seinen Erzeuger auch
noch stolz darauf war, von Motorrädern überhaupt nichts zu verstehen. Gott
sei's geklagt, der Mann hat nicht gelogen und man merkt das auch. Als ich vor
drei und noch vor zwei Jahren Zweifel an der Strassenlage normaler Roller mit 8
Zoll-Rädern leise anzudeuten wagte, wäre ich fast gesteinigt worden.
Inzwischen haben aber auch andere Leute den Mut gefunden, ziemlich unverblümt
zu sagen, dass bei einem Roller eine motorradähnliche, also halbwegs verlässliche
Strassenlage erst mit grösseren Rädern zu erreichen sei. Es hat bis zu dieser
Feststellung zwar ein bisschen lange gedauert, aber immerhin, man hat das
wenigstens überhaupt eingesehen. Bevor Das MOTORRAD nach dem Kriege wieder
erscheinen konnte, also schon im Jahre 1948, habe ich einmal in einer anderen
Zeitschrift festgestellt, man könne mit einem Roller auch ohne den berühmten
Knieschluss ebenso gut fahren wie mit einem Motorrad - diese Erkenntnis war
allerdings schon damals mit einem Roller mit 14-Zoll-Räder gewonnen worden.
Sieht man sich ein bisschen in der Rollerwelt um, dann steht man vor der
Tatsache, dass heute nur noch solche Roller mit 8-Zoll-Rädern gebaut werden,
deren Konstruktionszeit vor 1950 liegt oder deren Konstrukteure inzwischen durch
nichttechnische Gründe gebunden waren - gerade davon gibt es aber nur sehr
wenige. Man brauch ausserdem nicht einmal auf eine Klasse überschwerer Roller
abzuheben, die wir hier unter uns als "Schlachtkreuzer" bezeichnen,
diese sind ja ganz zwangsläufig bei Rädern von 12, 13, und 14 Zoll gelandet.
Wenn man also selbst dieses Argument ausser Betracht lässt und sieht, was alte,
wirklich erfahrene Motorradfabriken - also keine Konfektionäre, die heute dies
und morgen jenes bauen - im Verlaufe meist mehrjähriger Entwicklung und
Versuche heute bauen, dann hat das unweigerlich mindestens 12-Zoll-Räder. Natürlich
kommt das nich von ungefähr, denn erst bei einem 12-Zoll-Rad kann man bei den
in Frage kommenden Belastungen auf eine Reifenbreite von 3,50" oder gar
3,25" heruntergehen und gerade diese kleine Reifenbreite scheint mir
wichtigste Voraussetzung für eine einwandfreie Rollerlenkung zu sein. Mit vierzölligen
Schwartenmagenreifen kann man nun einmal offensichtlich keine vernünftigen
Lenkeigenschaften bei einem Einspurer mehr erziehlen, erst recht dann nicht,
wenn dazu auch noch nur 8-Zoll Felgendurchmesser gehören. Dies hängt in sehr
naheliegender Weise mit der Gestalt der Aufstandsellipse zusammen, es würde
aber zu weit führen, hier des langen und breiten darauf einzugehen. Die nächste
Frage bei der Rollerbeurteilung ist die der Motorleistung. Es gibt im Augenblick
eine ausgesprochene Tendenz zu Rollern höherer Leistung, man glaubt, mit 125ccm
bzw. den dabei verfügbaren 4 bis 5 PS nicht mehr auskommen zu können. In der
Tat stimmt das auch, denn bei normalen 8-Zoll-Rädern ist man darauf angewiesen,
mit einer gewissen Vorsicht zu fahren. Wenn es auch nur im geringsten mulmig
wird, dann bleibt bei landläufigen 8-Zoll-Rollern nur übrig, ganz energisch
mit der Fahrt herunterzugehen und dementsprechend fühlt man sich auch angeödet,
wenn einen das 125er-Motörchen nachher nur ganz allmählich wieder
herausbeschleunigt. Ich kann es also jedem Fahrer eines 125er-Rollers sehr gut
nachfühlen, wenn er nach 150 oder gar 200 ccm Ausschau hält. Er weiss es ja
nicht besser, vor allem weiss er nicht, was man von einem anständigen Einspurer
an Strassenlage, an Bremssicherheit und an Spursicherheit verlangen kann. Er ist
immerzu in der Lage, aus 20 heraus wieder hochbeschleunigen zu müssen, nur
deshalb legt er so grossen Wert auf einen stärkeren Motor. ich will damit also
nicht mehr und nicht weniger sagen, als dass das derzeitige Streben nach höherer
Leistung bei Rollern mindestens zu einem Teil auf Irrtum beruht und durch die
objektive Unzulänglichkeit der Strassenlage des heutigen 8-Zoll-Stardrollers
bedingt ist.
So zierlich der Roller zunächst wirkt, haben aber auch besonders grosse Leute darauf Platz, man kommt mit den Knien weder mit der Spritzwand noch mit dem Lenker in Bedrängnis.
Vielleicht nicht ganz so
klar überschaubar im Sachlichen wie heute, aber doch vorhanden war diese Lage,
als man bei Puch daranging, der Nachfrage entsprechend auch einen Roller zu
entwickeln. Man hatte den Mut, sich nicht an bestehende Vorbilder anzulehnen,
sondern eigene Gedanken in Bewegung zu setzen und den Roller vor allem von
Motorradleuten entwickeln zu lassen. Infolgedessen kam ein Roller heraus, von
dem ich nur sagen kann, dass er die Strassenlage eines guten Motorrades hat. Es
gibt zwar heute einen Haufen Rollertypen, es gibt aber nur ganz wenige, von
denen man so etwas mit gutem Gewissen behaupten kann. und nun kommt das
allererstaundlichste: Gerade infolge dieser Strassenlage, die einem erlaubt,
genau wie bei einem Motorrad mit einer vernünftigen Fahrt in die Kurven
hineinzugehen, Hindernisse anzubremsen oder über wellige oder sandige Stellen
zu gehen, ist der 125er-Motor plötzlich nicht mehr unzulänglich. Es gibt natürlich
ein gewaltiger Unterschied, ob man an irgend einer Strecke auf 30 herunter
musste oder ob man diese Stelle mit 50 durchrollen konnte - gerade weil man bei
Puch-Roller kann, sind auch mit dem 125er-Motor so respektable Schnitte zu
erzielen, dass ein 125er-Motorrad alle Hände voll zu tun hat, um überhaupt
dranzubleiben. Was der Roller tatsächlich leistet, das zeigte er unter Patleich
mit seinen 127 kg, er zog ihn nämlich nicht etwas bloss über den Glockner,
sondern auch die Turrach-Südseite noch mit einer gewissen Reserve im Gas hinauf.
Er konnte damit von Landesgrenze Salzburg bis Stadtmitte München in einer
Stunde 20 Minuten fahren, ebenso wurden die 210km Wien bis Graz mehrfach in drei
Stunden 20 Minuten geschafft. Solche Schnitte sind niemals mit dem Motor allein
zu fahren, dazu gehört auch die erforderliche Strassenlage, damit man wirklich
überall mindestens 60 km/h ungefährdet stehen lassen kann - es sei denn vor
einer geschlossenen Bahnschranke!
Man hatte vielleicht erwartet, dass man ausgerechnet
bei Puch auch dem Roller einen auf sportlich aufgemachten Doppelkolbenmotor gibt.
Ich weiss nicht, sas die Puch-Leute dazu bewogen hat, sie haben jedenfalls einen
ganz normalen Einkolbenmotor genommen und der ist angesichts der für einen
heutigen 125er auch wieder nur bescheiden 5 PS allerdings genau so ausgefallen,
wie man bei Puch so etwas macht: Ein sehr hohes Drehmoment bei niedrigen
Drehzahlen und damit natürlich eine entsprechend flach ansteigende
Leistungskurve. Man konnte es sich daruch leisten, nicht nur mit drei Gängen
auszukommen, sondern diese drei Gänge auch noch sehr weit auseinander zu ziehen.
Das Diagramm zeigt ja, dass im Ersten die rechnerische Höchstgeschwindigkeit
knapp über 20 km/h liegt und dass bei 15 km/h bereits 4 PS da sind. Das heisst
also, dass man auch auf ausgesprochen tückischen und schmalen österreichischen
Passstrassen nicht auf Schussfahren angewiesen ist und dass man gegebenenfalls auch längere Zeit hinter einem Omnibus dahinkriechen kann, ohne
anzuhalten oder zum riskanten Überholen gezwungen zu sein. Ich weiss nicht, ob
ein deutsches Werk die Charakterstärke besessen hätte, die Motorleistung bei 5
PS zu belassen – man hätte bei uns bestimmt 6 herausgeholt und dafür einen
geringeren Durchzug unten in Kauf genommen. Da man aber in Graz die Berge vor
der Tür hat und da der Österreicher sich weder um eine Höchstgeschwindigkeit,
noch um einen Verbrauch, noch um sonst etwas kümmert, sondern ganz stur fragt,
ob ein Fahrzeug auch die Turrach schaffe, wird eben jegliches in Österreich
gebaute Fahrzeug einen Motor haben, mit dem man unter allen Umständen die
Turrach-Südseite hinaufziehen kann, auch wenn vor einem ein Omnibus liegt.
Dieser erbitterte Bergbetrieb macht sich natürlich
nicht nur in der motorischen Auslegung bemerkbar, sondern auch in der Stehfähigkeit.
Die Gebläsekühlung bringt in dieser Hinsicht zwar einiges, das meiste bringt
jedoch aber wiederum die weise Beschränkung auf die mässige Literleistung von
50 PS/l.
Für heutige Ansprüche ist auch der Lärm ein
Gesichtspunkt: Das Hauptrahmenrohr wird als Auspuffdämpfer benützt. Der Roller
ist aber trotzdem sehr repektabel leise, jedenfalls leiser als die meisten
125er-Motorräder. Falls jemandem auch das nicht genügt, gibt es neuerdings
noch einen speziellen Ansaugdämpfer, der nachträglich auf die Ansaugöffnung
aufgesetzt werden kann. Die damit verbundene Leistungsminderung ist gerade eben
merklich, aber wahrscheinlich nur dann, wenn man so scharf fährt wie wir –
ich glaube nicht, dass der normale Rollerfahrer im täglichen Gebrauch einen
Leistungsunterschied überhaupt bemerken wird.
Die Schaltung ist eine für Roller durchaus übliche
Drehgriffschaltung, man hat als in jedem Gang den Kupplungshebel in einer
anderen Stellung und kann höchstens wählen, ob einem die Anfahrstellung im
ersten Gang wichtiger ist oder die Enstellung im dritten Gang beim Jagen, weil
man da möglicherweise den vorsichtigen Finger braucht. Ich kann mich ehrlich
gesagt selbst für diese Drechgriffschaltung, obwohl sie inzwischen bei rund
2-300000 Rollern läuft, nicht begeistern. Zur Ehrenrettung des Puch-Getriebes
sei aber folgendes gesagt: man kann mit dieser Drehgriffschaltung so robust
umgehen, dass es tatsächlich genügt, den Drehgriff eben so weit zu verstellen,
bis es im Getriebe kracht – dann weiss man, dass der Zweite drin ist und kann
die Kupplung wieder loslassen. Das ist beileibe kein Spott, ich habe mich nie um
eine Drehgriffschaltung gekümmert und immer nur dann, wenn es krachte, wieder
eingekuppelt. Ich glaube nicht, dass jemand mit der Schaltung noch gröber
umgehen kann und glaube infolgedessen versichern zu können, dass das
Rollergetriebe absolut idiotensicher ist.
Die Drehgriffschaltung arbeitet mit durchgehendem Gestänge und sehr zuverlässig, der weisse Knopf neben dem unteren Kugelgelenk ist der Bedienungsgriff für den Choke.
Federungsmässig gehört der Puch-Roller auch
keinenfalls zum Durchschnitt, die Hinterradfederung hat zwar nur eine mässige
Hubhöhe und ist auch ungedämpft, aber durch Gummiblöcke, die in die
Schraubenfedern eingesteckt sind, sehr stark progressiv. Die Vordergabel dagegen
besitzt Ölstossdämpfer und ist wie gesagt zu einem wesentlichen Teil für die
gute Strassenlage verantwortlich. Nächst wichtig für die Höhe der erzielbaren
Reiseschnitte ist die Güte der Bremsen. Sie sind zwar mit nur 125mm Durchmesser
ziemlich klein, aber sehr solide gemacht. Einmal eingefahren, so dass also die
30mm breiten Beläge tatsächlich tragen, sind auf ordentlichem, trockenem
Kleinpflaster mit der Vorderbremse und einem 100-kg-Fahrer Verzögerungen
zwischen 5.5 und 6m/sec2 zu erzielen, mit dem Hinterrad allein muss man natürlich
mit guten 4.0 m/sec2 zufrieden sein, es sei denn, man könnte einen Sozius
aufladen, der für den nötigen Achsdruck sorgt. Mit beiden Bremsen zusammen
sind 7-8m/sec2 zu erziehlen, aber auch die Beziehung auf lange Dauerbelastung
der Bremsen ist der Roller nicht nur scharfem Stadtbetrieb, sondern
ausgesprochenem Bergbetrieb gewachsen.
Der Verbrauch entspricht der relativ mässigen
Literleistung, es werden 2,2 l Normalverbrauch angegeben, man kommt aber auch
bei schärfster Hetzerei sowohl wie bei bummeligem Stadtverkehr, der ja immer
besonders unwirtschaftlich ist, im Durchschnitt mit 2,8 bis 3,0 Liter weg.
Hinter der grossen Klappe sitzen Vergasser, Tankhahn und zur Not auch die Kerze, dazu stellt man aber besser die ganze hintere Verkleidung hoch. Die Dose, auf die der Pfeil zeigt, ist der Ansaugschalldämpfer, den man aber nur bei besonders hohen Ansprüchen braucht. Die Werkzeugbüchse ist geöffnet, auf der Gegenseite befindet sich ein mehr als doppelt so grosser freier Raum.
Die elektrische Anlage ist – bei den nach
Deutschland gelieferten Puch-Rollern – von Bosch und hat die übliche Leistung,
die alle 35-W-Wechselstromanlagen haben. Man hat also 25 W im Scheinwerfer und
kann sich gegebenenfalls eine Rücklichtlampe von 5 W leisten. Das
Hella-Scheinwerferchen von 105 mm nutzbarer Öffnung ist heute Standartausrüstung
für alle möglichen Roller – es gibt kaum einen Roller, der es nicht hätte
-, infolgedessen hat es auch der Puch-Roller. Hat man nun zufällig einen guten
Spiegel und eine noch nicht schwarz verschmurgelte Glühlampe, dann kann man mit
ganz ordentlichem Licht rechnen, wie es bei unserer Testmaschine auch der Fall
war. Womit ich aber gar nicht einverstanden bin und was keineswegs allein den
Puch-Roller angeht sondern auch noch drei oder vier andere Roller, die im
Augenblick bei uns laufen, das sind diese elenden Abblendschalter. Ich weiss
nicht, wer diese Dinger eigentlich macht, jedenfalls kann der Betreffende damit
keine Bilder herausstrecken und es täte wahrhaftig not, hier einmal ein kleines
bisschen konstruktiven Verstand aufzuwenden, ganz gleich, was für ein weltberühmter
Firmenname dahinter auch stehen möge. Wir machen jetzt seit 1948 wieder
Wechselstromanlagen, seit 1948 besteht das Problem, vom Fernlichtfaden auf den
Nahlichtfaden umzuschalten und dabei weder durch allzu langes Parallelschalten
beider Fäden die Leistung zusammenbrechen zu lassen, noch durch zufälliges
Abschalten beider Fäden während auch nur einer hundertstel Sekunde der
Kontaktbewegung die Spannung hochschiessen zu lassen und so die Schlusslampe
durchzubrennen.
Nach Lösen zweier Schnellverschlüsse lässt sich die Karosseriehaube hochklappen, nach Lösen eines Scharnierbolzens ganz entfernen. Den Schlauchanschluss des Vergasers abzuziehen ist kein Problem, ebenso ist das Rücklicht mit einer Steckverbindung angeschlossen. Der Tank hängt in der Verkleidung mit zwei Spannbändern und ist notfalls auch leicht herauszunehmen.
Der Motor ist bei uns absichtlich die ganze Zeit nicht gereinigt worden, er bekommt tatsächlich vom Hinterrad her keinen Dreck mehr ab. Auf der Antriebsseite ist durch das kleine Deckelchen die Kupplung zur Einstellung zugänglich, der dicke, schwarze Schlauch entlüftet das Antriebsgehäuse auf die Kette. Die Windführung der Zwangskühlung ist bezeichnend, der grösste Teil der geförderten Luft wird über den Zylinderkopf gedrückt.
Der Roller von rechts unten, sieht den Anschluss des Auspfuffrohres an das als Schalldämpfer funktionierende Rahmenrohr, den äusserst massiven Kippständer mit Querrohr und die Druckfedern mit den eingeschobenen Gummiklötzen für die Hinterradfederung.
Die in Deutschland verkauften Puch-Roller sind mit Amal-Vergasern ausgerüstet, der Gummibalgen über der Ansaugöffnung dient dem Anschluss an den Luftfilter, der fest innen an der bereits gezeigten Klappe sitzt. Das Segment mit dem Drahtzug am einen Ohr ist die Einstellvorrichtung für die Choke-Kappe.
Es tut mir leid, dass ich diese Feststellung gerade
anlässlich des Puch-Testes treffen muss, es ist aber bloss ein purer Zufall,
dass eben jetzt der Puch-Test als erster „dran“ ist und nicht der Goggo-
oder sonst ein Roller-Test. Bei Puch hat man die schwache Stelle aber auch
erkannt, bei Patleichs Roller war schon ein anderer Schalter drin, der offenbar
etwas besser funktioniert.
An besonderem wäre noch zu bemerken, dass der Motor
bei Kaltstart prompt anspringt, aber wie alle Zweitakter trotz reichlichen
Tupfens keineswegs immer durchläuft. Anfänglich ärgert man sich, wenn man
drei- oder viermal die Vergaserklappe aufmachen muss, um immer wieder zu tupfen
und neu zu starten – nachher haben wir dann herausbekommen, dass man nur den
Sprithahn aufzumachen und dann den Roller auf die Kickstarterseite umzulegen
braucht. Stolz „wia an Hausherr“ zieht man die Ruhe die Handschuhe an,
richtet den Roller auf, tritt ihn an und siehe da, er läuft anstandslos durch,
weil inzwischen genügend viel Sprit ins Kurbelhaus gekommen ist. Unser zweiter
Testroller hatte das bereits nicht mehr nötig, er hat im Vergaser – übrigens
ein ehrlicher Amal statt der einfachen Puch-Hausvergaser – einen richtigen
Choke wie ein Wagen. Man öffnet also den Sprithahn, tippt aber nicht, haut die
Karosserieklappe wieder zu, zieht den Choke und tritt an. Wenn man unbedingt
noch etwas aussetzen will, dann allenfalls, dass der Kickstarter äusserst knapp
übersetzt ist. Zu einem Starterhub gehören volle drei Motorumdrehungen, also
auch drei Zündungen. Es ist natürlich kein Wunder, dass der Motor unter diesen
Umständen sehr zuverlässig ansaugt, zuverlässig startet. Ein Hundert-pfundmädchen
tut sich aber gelegentlich schwer, denn entsprechend der knappen Übersetzung
ist eine grosse Kraft erforderlich, die ein leichter Fahrer nicht immer
aufbringt. Schon wenn man sich mit zwei Zündungen begnügen würde, wäre das
Gröbste geschafft und ich selbst bin überzeugt, dass auch mit einer so
reichlichen Starterübersetzung, dass auf jeden Starterhub nur eine Zündung
erfolgt, der Motor nichts von seiner Anspringsicherheit einbüssen würde. Man
braucht dann höchstens zwei Tritte, der Motor wäre dann auch da und man
brauchte dann weder Kraft noch Geschick. Der Puch-Roller ist mit seinen 90 kg
ein ausgesprochen zierlicher Mädchenroller, und ich mache von der Starterübersetzung
nur deshalb soviel Aufhebens, weil man am ganzen Roller sonst eben
schlechterdings nichts auszusetzen ist. Es ist überhaupt erstaunlich, wie diese
rauhhaarigen Motorradentwickler in Graz ein Fahrzeug entwickeln konnten, dass
hinterher so ausgesprochene „Mädcheneigenschaften“ hat. Bezeichnend: Es ist
ein Kippständer vorhanden, der hat einen dicken Querholm und kann infolgedessen
auch auf weichem Grund einsinken, so etwas konstruiert naturgemäss nur jemand,
der im Gelände herumfährt. Es ist aber auch eine Seitenstütze vorhanden, mit
der man den Roller wenigstens hinstellen kann, ohne ihn auf den Kippständer
wuchten zu müssen – gerade das kann man keineswegs von allen Rollern
behaupten. Natürlcih ist eine solche Abstellstütze konstruktiv eine Lächerlichkeit,
ebenso ärgerlich ist es aber, wenn sie fehlt und das besagte Hunderpfundmädchen
sich jedesmal schinden soll, um den Roller auf den Kippständer zu würgen.
Wir waren nur ein einzigesmal genötigt, eine Kerze zu
wechseln, bei dieser Gelegenheit flog die T 1 gleich heraus, eine Beru U 2 blieb
dann überbrückungsfrei, bei Patleich blieb während 5000km eine Bosch T11
ebenfalls überbrückungsfrei. Lediglich aus reiner Neugier, eigentlich nur, um
den Motorblock photographieren zu können, nahmen wir die Karosserie ab und das
geht nun anerkanntermassen ausserordentlich mühelos. Man macht lediglich die
beiden Verschlusshaken auf, die man auch zum Hochstellen der Karosserie
aufmachen müsste und hat darüber hinaus nur noch am Vorderrand der Haube einen
Scharnierbolzen zu lösen, damit hat man auch schon die Haube in der Hand und
kann in Gemütsruhe von allen Seiten an den Motor heran. Angesichts einiger
sehr moderner Rollerkonstruktionen halte ich eine soclhen Umstand für
ausserordentlich wichtig, denn es ist zwar einfach, einen Roller wunderbar zu
karossieren, es ist aber auch ebenso schwer, die lebenswichtigen Teile dennoch
zugänglich zu halten. Eine wunderbare Blechkarosserie kann man wohl leichter
zusammennageln, ob man nachher aber auch nur an den Vergaser oder ob man
unterwegs an Zündung und Kerze herankommt, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Zusammenfassend kann ich also sagen, dass all die
Dinge, die man dem Puch-Roller vielleicht als Fehler ankreiden könnte, durchaus
dem heutigen „Stand der Technik“ entsprechen und in genau derselben Form bei
allen anderen Rollern auch vorhanden sind. An positiven Dingen muss ich aber
ebenso ausdrücklich sagen, dass der Puch-Roller die Strassenlage eines sehr
guten Motorrades hat, dass man damit weder Schmiere noch Sand zu fürchten
braucht, und dass gerade infolge dieser objektiv ausgezeichneten Strassenlage
Schnitte zu fahren sind, zu denen bei 8-Zoll-Rollern ein 175er Motor bereits
unerlässlich ist. Die Herkunft aus einem Lande mit schlechten Strassen und
strapaziösen Bergen ist unverkennbar, ebenso wie die lange Entwicklungszeit in
der Hand von reinen Motorradfahrern. Wenn trotzdem keine Lokomotive daraus
geworden ist, sondern ein ausgesprochen handliches und zierliches Mädchenrollerchen,
auf dem Zweimeter und Dreizentnermänner aber auch Platz haben, dann ist das
umso bemerkenswerter.
Technische Daten:
Bohrung/Hub = 52/57
Verdichtung = 6,5 : 1
Leistung: 5 PS bei 5100 U/min
Getriebestufung: 1,0 / 1,75 / 3,08
Gesamtuntersetzung bei 14-Zähne-Ritzel: 6,6 : 1
Tankinhalt: 6,7 Liter
Reifen: 3,25 bzw. 3,50 x 12
Gewicht: 90 kg
Radstand: 1300 mm
Sattelhöhe: 745 mm
Bodenfreiheit: 145 mm
Steigfähigkeit im 1. Gang mit 75 kg: 36 Prozent
Steigfähigkeit im 1. Gang mit 150 kg: 25 Prozent
So liegen beim Puch Roller die Gänge, im ersten sind bei 15 km/h immer noch 4 PS vorhanden, besonders zwischen 2. und 3. ist nur ein geringer Leistungsabfall beim Aufwärtsschalten vorhanden.
Leistung und spezifischer Verbrauch des Rollermotors.
Beschleunigung des Puch Rollers mit einem Fahrer von 75 Kg.
Drehzahlen und Geschwindigkeiten in den einzelnen Gängen.
C. Hertweck
Entnommen aus: „Das Motorrad“, Nr. 16, 5. Jahrgang, 15. August 1953